| Greenpeace MagazinAusgabe 5.12
 Verpackung
 
 Lebensmittel sind oft 
      aufwendig verpackt. Das lässt nicht nur die Müllberge wachsen – in Deckeln 
      und Kartons stecken auch jede Menge Chemikalien, die ins Essen gelangen 
      und mitgeschluckt werden.
 Verpackungen schützen unser Essen 
      – sind aber oft selbst eine Quelle unerwünschter Stoffe. „Vermutlich gehen 
      rund 100.000 Substanzen von Verpackungen in Nahrungsmittel über“, schätzt 
      Konrad Grob, einer der führenden Verpackungsanalytiker in Europa. Und zwar 
      in „toxikologisch relevanten“ Mengen, sprich: die schädlich sein könnten 
      und deren Unbedenklichkeit man hätte prüfen müssen.
 
 Grob hat 
      errechnet, dass aus Tüten, Kartons und Dosen rund hundertmal mehr 
      Chemikalien ins Essen gelangen als Pestizidrückstände aus der 
      konventionellen Produktion.
 
 Das Kantonale Labor Zürich, in dem er 
      arbeitet, hat tausende Verpackungen untersucht, auch für das deutsche 
      Verbraucherministerium. Trotzdem kennt er längst noch nicht jede kritische 
      Substanz. „Die meisten Stoffe sind noch nicht identifiziert, geschweige 
      denn auf ihre Unbedenklichkeit geprüft“, sagt Grob. „Selbst wenn nur ein 
      Prozent von ihnen gesundheitsschädlich wäre, läge dies noch immer in der 
      Größenordnung von 1000 Substanzen.“
 
 Regelmäßig finden Labore 
      Verpackungsrückstände im Essen, etwa Mineralöle. Sie stammen aus 
      Druckfarben, vor allem von Zeitungen. Über das Recycling gelangen sie in 
      die Verpackungen und von dort in den Inhalt, sie gasen aber auch aus 
      Schachtelaufdrucken aus. Kürzlich untersuchten die Züricher 
      Wissenschaftler mit dem Chemischen und Veterinäruntersuchungsamt Stuttgart 
      119 Lebensmittel aus Recyclingkartons wie Müslis, Babykost, Nudeln, Reis, 
      Salz, Zucker und Puddingpulver. Der Grenzwert für gesättigte 
      Mineralölkohlenwasserstoffe von 0,6 Milligramm je Kilo war oft um das 
      Zehn-, teils um das Hundertfache überschritten.
 
 Tierversuche 
      zeigen, dass Mineralöle zu Schäden an Leber, Herzklappen und Lymphknoten 
      führen können. Zudem enthalten sie aromatische polyzyklische 
      Kohlenwasserstoffe, die teilweise als krebserregend gelten. Beim Menschen 
      wurden Mineralöl-Ablagerungen in mehreren Organen nachgewiesen und sogar 
      in der Muttermilch. Jeder Erwachene trägt ein bis zehn Gramm Mineralöl in 
      sich, rund zwei Teelöffel – es ist mengenmäßig die größte Verunreinigung 
      unseres Körpers. Das Verbraucherministerium will nun die Belastung senken, 
      doch die Industrie wehrt sich gegen die neue Druckfarbenverordnung. Bis 
      das Problem gelöst ist, ließen sich Recyclingkartons innen mit 
      unbedenklichem Kunststoff beschichten, sagt Konrad Grob.
 
 Auch 
      Weichmacher, die Kunststoffe elastisch machen, werden uns immer noch 
      aufgetischt. Sie stecken in Deckeldichtungen auf Gläsern. Das Problem: 
      Ölhaltige Produkte wie Pesto lösen die Weichmacher aus dem Kunststoff. Die 
      Forscher nahmen kürzlich 310 ölhaltige Lebensmittel in Gläsern unter die 
      Lupe. In jedem vierten Produkt war der EU-Grenzwert überschritten, einige 
      enthielten gar die verbotenen Phthalate.
 
 Weichmacher haben 
      hormonähnliche Wirkungen. Sie werden mit der abnehmenden Spermienzahl bei 
      Männern in Verbindung gebracht, führten in Tierversuchen zu Missbildungen 
      der Geschlechtsorgane und stehen im Verdacht, Diabetes, Übergewicht und 
      Fettsucht zu begünstigen.
 
 Dabei gibt es 
      Alternativen: Die Firma Pano in Itzehoe hat „Blue Seal“ entwickelt, einen 
      PVC-freien Metalldeckel. Die Beschichtung besteht aus thermoplastischen 
      Polyolefinen (TPE), die keine Weichmacher benötigen. Die Feinkostmarke 
      Dittmann und die Bio-Firmen Byodo, Zwergenwiese und Bruno Fischer setzen 
      die blau eingefärbten Deckel schon ein. Supermarktketten bekunden 
      Interesse.
 
 Konrad Grob findet diese Entwicklung gut. Aber er 
      fordert ein branchenübergreifendes Umdenken. Man müsse bei der Herstellung 
      von Materialien von vornherein bis ans Ende denken. So sollten in 
      Druckfarben nur noch Zutaten verwendet werden, die sich auch für 
      Lebensmittelpackungen eignen – und nicht über 5000 verschiedene Substanzen 
      wie heute.
 
 Text: Annette Sabersky
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